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Mit 66 Jahren im Unistudium Bestnoten holen

Vor kurzem bin ich auf ein weiteres Blog gestoßen, dass viel Interessantes rund um unser Thema bietet. Frau Professor Dr. Andrea Back schreibt auf »Learning Waves« über die Zukunft von Lernen und Wissen. Den Newsletter dort kann ich zum Abonnement nur empfehlen.

Aus diesem stammt auch der folgende Artikel, den ich mit freundlicher Erlaubnis der Autorin hier veröffentlichen darf – viel Spaß damit und vor allem viel Motivation daraus!

Kolumne: Mit 66 Jahren im Unistudium Bestnoten holen

Lebenslanges LernenÜber 35 Grad Hitze herrschen im Home Office. Vor mir will die Bachelorarbeit “Aufbau einer E-Learning Community für Senioren in der Schweiz” bewertet werden. Lesen von Druckschriften geht ja auch draussen an der hoffentlich frischeren Luft, dachte ich, und machte mich auf zum Restaurantschiff Deckshaus im Historischen Hafen von Berlin, um dort mein Open Air Office am Wasser einzurichten. Wie es der Zufall will, komme ich dort ins Gespräch mit Bill, einem Amerikaner, 77 Jahre. Es stellt sich heraus, dass er eine Lebensabschnittsgeschichte über “Life Long Learning” (auch L3 genannt) zu erzählen hat, über die ich ihn näher ausgefragt habe. Er ist einverstanden, dass ich hier darüber schreibe.

Mit 62 angesichts des nahenden Ruhestands fragte er sich, was er denn studieren würde, wenn er jetzt nochmals 20 wäre und nicht daran denken müsste, damit seinen Lebensunterhalt verdienen zu müssen. Er kam auf Archäologie, suchte eine Uni aus, fragte seine Frau, ob sie mit den Ausgaben für das Studium einverstanden wäre – das war sie -, und bald fand er sich im Kreis von jungen Studierenden wieder, die er mir gegenüber als “the Kids” bezeichnete.
Was würden Sie ihn fragen wollen? Was würden Sie sich fragen, wenn Sie an seiner Stelle wären? Hier einige Einblicke:

Als erstes fiel ihm auf, dass die “Kids” immer mit Notebook unterwegs waren und damit in den Lehrveranstaltungen auch arbeiteten. Sie traf er nicht in der Bibliothek, wo er anfangs noch hinging. Einige Dozierende hatten ihre Pflichtliteratur dort als Kopien in einem Ordner bereitgestellt; er merkte jedoch schnell, dass die Wege zur Bibliothek zu viel Zeit kosteten. Zunehmend geriet er auch ins Staunen, welche Fülle von Material im Netz zu finden war.

So wie wir als Eltern unseren Erstklässern einen Schulranzen geben, schenkten ihm seine Kinder einen Notebook, und nun war er einer der Ihren. Und gleichzeitig war er es auch nicht, wie er sich von einem – der ganz wenigen – älteren Studenten sagen liess. Der warnte ihn davor, mit den Jungen mithalten zu wollen: Er könne nicht so viele Stunden lesen, weil die Augen müde würden; er könne nicht vor dem Examen die Nächte durcharbeiten, das ginge körperlich einfach nicht mehr; sein Gedächtnis wäre zudem nicht mehr so gut, er bräuchte viel länger, um sich Neues zu merken. Deshalb solle er sein Semester mit kleinerem Pensum und ruhiger angehen.

Trotz dieser vielen “Handicaps” hatte Bill jedoch nur Bestnoten, er war ein A+ Student und natürlich sehr stolz darauf. Er erklärte das so: “Ich konnte besser denken als die Jungen, … ich konnte besser interpretieren – durch meine Erfahrung”. Seine Präsentationen waren exzellent; auch hatte er in seinem Arbeitsleben schon so viele Berichte geschrieben, dass ihm das Schreiben von Seminararbeiten an der Hochschule leicht fiel und gut gelang. Weiterhin sorgten sein stabileres Selbstwertgefühl und die im Berufsleben erworbenen “Social Skills” dafür, dass er in der Interaktion mit den Professoren einen Vorteil hatte, meinte er.
Sie sehen also, es gibt jede Menge Gründe, sich für das Lebenslange Lernen auch als Senior/in bestens gerüstet zu fühlen.
Und mit einem verschmitzten Lächeln fragte er dann noch, ob ich mir vorstellen könnte, was eine der besten Erfahrungen gewesen sei? Dass “the Kids” ihn bei Gruppenarbeiten nicht mieden, sondern dabei haben wollten und aus Fairness von ihm Gleiches erwarteten wie von ihren Jung-Kommilitonen; und als absolutes Highlight, wenn “the Kids” nach seinen Präsentationen applaudierten – denn das würden ja die wenigsten eigenen Kinder tun.

Weiterführende Info – Vortrag von R. Tippelt, März 2010: Bildung Älterer – Ergebnisse aus der EdAge Studie

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