Erfolgsgeschichten

Irrungen und Wirrungen ;-)

Hallo Alle,

ich finde es spannend, die Lern/Erfolgsgeschichten anderer Menschen zu lesen, deshalb veröffentliche ich (einen Teil) meines Weges auch einfach mal.

Mein „Elternhaus“.

Bildungsfern….das Wort trifft es durchaus, denke ich. Meine Eltern (während des zweiten Weltkriegs geboren) haben Schulen besucht, aber keine großartigen Abschlüsse machen können, sondern sie gingen Beide früh arbeiten (Handwerk). Um es kurz zu machen, ihre morgendliche Lektüre ist die Bild-Zeitung und ihre „Wahrheiten“ bringt eben dieses Blatt inkl. diverser RTL-Sendungen……. Ich fühlte mich oft sehr „falsch“ in dieser Familie und gehörte da eigentlich gar nicht hin……

Aber: Die Eltern wollten es für mich anders und unterstützen mich schon…..engagierten sich in der Grundschule (Elternbeirat, Feste organisieren, Klassenausflüge begleiten), es war Ihnen also nicht „alles egal“. Ich durfte mich quer durch die Bücherei lesen, bekam Bücher geschenkt….konnte ein Instrument lernen, Vereine besuchen…..hatte viele Freunde und alle waren willkommen zuhause. Gute Voraussetzungen eigentlich. Ich hatte tolle Grundschul-Zeugnisse und ging dann „selbstverständlich“ auf ein Gymnasium. Die Schwierigkeiten begannen dort, da ich „lernen“ nicht kannte, die Grundschule durchlief ich, OHNE irgendwas dafür tun zu müssen……

Dieses „Lerndefizit“ konnte ich nicht ausgleichen, ich bekam von Seiten der Schule keinerlei Hilfe und meine Eltern ermöglichten mir zwar Nachhilfe, die nur bedingt erfolgreich war…..ich pubertierte dann ordentlich 😉 und erwirkte eine Versetzung auf eine Gesamtschule. Der Vorteil (den ich auch dringend haben wollte…): der Schulweg betrug 200 Meter. Zum Gymnasium musste ich über 1 Stunde fahren, ich wollte im jugendlichen Alter meine Zeit aber lieber mit Freunden verbringen (und länger schlafen), anstatt an einer Bushaltestelle zu hocken und auf den „Dorf-Bus“ zu warten.

Gesamtschule sollte es also sein. Dort verbrachte ich drei Jahre, erwarb den Realschulabschluss, dummerweise WIEDER ohne irgendwas lernen zu müssen…..und stand dann da….mit einem relativ guten Abschlusszeugnis. Diese Schule endete mit der Klasse 10, eine Oberstufe gab es nicht……also schrieb ich Bewerbungen. Ohne Ahnung, was ich machen möchte, was ich kann……

Ich bekam eine Einladung zum Einstellungstest, absolvierte diesen und bekam einen begehrten Ausbildungsplatz im öffentlichen Dienst, den Vertrag unterschrieb ich damals sofort an Ort und Stelle. Einfach so. Es war mein einziger Test, alles sehr „planlos“ von meiner Seite……und ich wurde: Bibliotheksfachangestellte.

Zwei Jahre später hielt ich ein Ausbildungszeugnis in der Hand, ein echt gutes. Ich bekam eine Stelle angeboten, die ich nicht wollte……und traf zufällig eine Frau aus dem Lehrgang vor mir, die erzählte, dass sie sich für ein Stipendium beworben hat und ihr Abi auf dem zweiten Bildungsweg nachholen möchte. Zweiter Bildungsweg ?! Fand ich total interessant (im Gegensatz zu dem komischen Stellenangebot…..), ich kündigte und machte eine Aufnahmeprüfung an einer Kollegschule, bekam die Zusage und fing dort an den Unterricht zu besuchen. Das alles konnte ich nur, weil ich eltern-unabhängiges Bafög bekam, ein Zimmer im Studentenwohnheim bekam ich auch….ich wohnte also IN der Schule, direkt neben meinem Unterrichtsraum. Interessante Sache 😉

Ich war erst 18, meine erste „eigene Wohnung“, 2 Dutzend interessante Menschen, viel neue Lerninhalte…..und „lernen“ konnte ich immer noch nicht…..nun MUSSTE ich aber, weil „einfach so“ war das alles nicht zu schaffen. Ich bekam Unterstützung von anderen Bewohnern der Schule, wir hatten die Unterrichtsräume abends/Nachts ja auch zur Verfügung und bildeten Lerngruppen…..sehr tolle Sache. Natürlich was alles „ausserschulische“ auch total interessant. Wohnen mit 25 Menschen in einer Riesen-WG……meine Erfahrungen würden Bücher füllen und ich kürze ab….. Ich fiel dann leider gesundheitlich (mehrere Knie-OPs) eine Weile aus, fand den Anschluss nicht mehr, verliebte mich (unglücklich….) in einen Mitschüler und das alles war so chaotisch, dass an Lernen nicht zu denken war. Ich bin dort ausgezogen, wechselte die Schule (um dem Mann zu entkommen….) und befand mich dann auf einem Abendgymnasium für Berufstätige. Nur WAR ich ja nicht berufstätig, was ich dann doch änderte und jobbte hier und da und dort. Ich war Kneipenbedienung, Kinderbetreuerin, arbeitete im Jugendzentrum, in einer Druckerei, am Flughafen und noch viel mehr……landete dann NACHTS in einer Paket-Spedition und während dieser ganzen Arbeit machte ich mein Abitur….WIE ich das genau alles geschafft habe….ich weiß es gar nicht mehr. Aber ich habe ein gutes Abizeugnis im Schrank (2.0), mit Englisch, Französisch als Leistungskurse…..und wusste immer noch nicht, was ich mal „werden“ wollte.

Also schrieb ich mich an der Uni ein, Südostasien-Wissenschaften, historische Ethnologie und Kulturanthropologie. Der „Plan“ war: wenn ich fertig bin, spreche ich insgesamt mind. sechs Sprachen und dann arbeite ich in Indonesien.

Guter Plan, oder ? 😉

Es kam natürlich anders. Der nächtliche Paket-Job endete morgens zwischen 5 und 6….um Acht startete die Uni. Kurse verteilt über den ganzen Tag, mit elendig langen Pausen dazwischen, in denen „heimfahren“ nicht lohnte und „bleiben“ auch blöd war. Zum lernen zu müde, zum schlafen keine Zeit, oder keinen Ort…..und nach 2 (oder drei?) Semestern hab ich das Ganze hingeworfen (absolut erschöpft und über-anstrengt), lernte zufällig meinen Mann kennen, kündigt Job, Wohnung und Studium und zog ins Ruhrgebiet.

Meine Studienpläne konnte ich nicht „mitnehmen“, da diese Fächerkombi NICHT in der Region angeboten wurde und eine neue Idee hatte ich nicht wirklich. Also knüpfte ich an die „Paket-Erfahrung“ an, bekam sofort einen Job bei einer anderen Spedition, wurde nach 4 Wochen Abteilungsleiterin und wohnte fast in dem Laden. Lernen ?! Ja, musste ich. Für den Job…..Dann heiratete ich, wir bekamen das erste Kind und „studieren“ war immer noch im Kopf…..und dann stiess ich auf die FernUni, die keine 500 Meter von hier ein Studienzentrum hatte….(wie praktisch)….schrieb mich ein für…..Erziehungswissenschaften, Soziologie (?!), oder Sozialwissenschaften ?! ,,,und noch irgendwas…..Ich habe keine Ahnung mehr……es gab Studienbriefe und mentorielle abendliche Veranstaltungen, aber mit Kind (und so als junge Neu-Mutter)….ich habe es einfach nicht regelmässig geschafft, in diese Veranstaltungen zu gehen, online gab es NULL Angebote und das lief nach 2 Semestern dann auch einfach aus…..und die Fächer waren eben zusätzlich auch nicht das, was zu meinem „Plan“ passte….

Dann bekam ich noch ein Kind und schrieb mich wieder ein…diesmal Geschichte (?)…..und hab ich nicht mal kurz auch Kulturwissenschaften ?…..ihr seht, ich kann mich nicht mal mehr richtig erinnern. Ich wollte „lernen“, hatte keinen Plan und keine Idee, was ich beruflich mal machen will, keine Online-Betreuung, kein Moodle….ich hatte das lernen ja immer noch nicht gelernt und war schlussendlich völlig überfordert und legte die Studienpläne auf Eis. Ohne sie ganz zu vergessen. Die Familie forderte mich, ich bekam ein drittes Kind und jammerte lang und breit in einem Familienforum, dass ich mit der Situation so unglücklich wäre, aber keine Ahnung hätte, was ich will…..ich war beim Arbeitsamt, die lächelten eigentlich nur aufgrund meines chaotischen Lebenslaufs……ich „kann“ viel, aber nichts richtig…..keine Nachweise, keine Zeugnisse, nur ein paar Bescheinigungen….aber eben viel „Erfahrung“…..und ich landete dann zufällig in einem Antiquariat, für das ich den Online-Verkauf gestalten durfte. Diese Jahre zwischen den Büchern, vielen interessanten Menschen, vielen Studenten brachten mich dazu, das Thema „Studium“ nochmal in Angriff zu nehmen.

Präsenzunis schaute ich mir an, wählte Fächer aus (ich wusste ja noch immer nicht….) und ich beschloss, dass es mit drei relativ kleinen Kindern NICHT zu machen ist. Zumindest nicht so, dass ich meine Vorstellungen von „Familie und Partnerschaft“ noch leben kann. Und zuuuuu-fällig gab es den neuen Studiengang der Bildungswissenschaften MIT online-Angebot, also: los ging es. Und ich bin nun so weit, wie ich es noch nie war. Und das macht mich sehr stolz. Notenmässig im Mittelfeld, mir reicht ein „bestanden“. Schliesslich habe ich auch noch viel „neben“ dem Studium, bin vielseitig interessiert, habe einige „Leidenschaften“, die ich auch leben möchte….alles gut. Für mich.

Mittlerweile bin ich durch gesundheitliche Probleme sehr eingeschränkt, nicht arbeitsfähig und ohne online-Angebot wäre mir das studieren NICHT möglich. Ich bin sehr dankbar über diese Möglichkeiten und bin sehr zuversichtlich, dass ich irgendwann meinen langjährigen „Traum“ (einen Studienabschluss) tatsächlich auch verwirklichen kann. Und vorallem: ich las über Lern-Methoden und habe einiges ausprobiert und erstmalig „gelernt“. War schon toll, diese Entwicklung zu sehen.

Eine kleine „Hürde“ habe ich mir allerdings noch eingebaut: Ich habe mich zusätzlich (zu den Bildungswissenschaften) in den Psychologie-Studiengang eingeschrieben, weil mir da vieles thematisch einfach „näher“ ist und ich es interessant finde. Ich gehe also davon aus, dass ich noch viele Jahre studieren darf. Das ist nicht tragisch und schlimm, da ich keinerlei berufliche Ambitionen habe….weil ich nicht weiß, was ich mal „werden“ will (daran hat sich nichts geändert). Vielleicht möchte ich auch einfach nur „lernen“, ich weiß es wirklich  nicht.

Ich bin also noch lange nicht „fertig“ und noch immer „unterwegs“, aber es könnte tatsächlich auch sein, dass ich es gar nicht anders haben möchte. Diesen „Spass“ kann ich mir natürlich nur leisten, weil es noch keine weiteren Studiengebühren an der FernUni gibt, denn DANN sähe es anders aus und ich müsste mich beeilen. Aber gerade DAS möchte ich nicht und kann ich auch nicht (gesundheitlich). Vielleicht ist „lernen“ für mich mehr ein „Hobby“, als ein zielorientierter Vorgang.

Das ist ein kleiner Bruchteil meines Lern-Lebens….was sich in diesem „Prozess“ verändert hat: Ich bin „zufrieden“ geworden und „alles ist gut“. Vielleicht ist es auch DAS, was ich gesucht habe ?! Aber „Ende“ ist noch lange nicht ;-)….ich bin sehr neugierig, was die Zukunft mir noch alles bringen wird und vielleicht ist DAS auch ganz wichtig ?

Ich habe noch viele, viele Gedanken zum Thema und vielleicht findet man die auch in diesem Blog noch an anderen Stellen. Und insgesamt gesehen hoffe ich, dass ich meinen Kindern auch irgendwie ein „Vorbild“ sein kann und für sie „lernen“ keine „Strafe“ ist/bleibt, sondern dass es für sie auch eine „Bereicherung“ ist. Dann hätte ich meinen (selbsterlegten)  „Auftrag“ erfüllt und das würde mich noch ein wenig glücklicher machen.

Andrea

Ein Kommentar

  • Sabine

    WOW !!!! Was für ein Artikel und was für eine Geschichte! Da freue ich mich jetzt schon auf weitere Gedanken – und was Du am Ende schreibst, mit Deinen Kindern – ich finde, dass überhaupt die Quintessenz, dessen was man mit einer neuen Sicht auf Bildung – eben auch für Erwachsene 30+ – erreichen kann: Nicht nur die Erwachsenen lernen, entwickeln Kompetenzen, Spaß am Lernen, Freude an Bildung und vielseitig einsetzbare Interessen und Fähigkeiten (den Satz könnte ich noch über drei Zeilen fortführen… 🙂 ) – sondern eben auch die Kinder und Jugendlichen profitieren davon! Indem sie erleben dürfen, dass Lernen ein Bedürfnis und eine Freude sein kann – statt Qual und Pflicht!

    Ich freu mich schon total auf weitere Gedanken von Dir!!!

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