Handschrift – ein Relikt das ausgedient hat?
In der NZZ Online widmet sich ein sehr interessanter Artikel dem Thema Handschrift.
Spannende Frage, finde ich, die ich persönlich eigentlich ganz gerne hin und wieder mal meine Gedanke mit Füller in ein schönes Buch schreibe. Andererseits nur für mich und selbst ich habe beim (viel) späteren Lesen oft Probleme, es dann zu entziffern 🙂
Während meines Abiturs auf dem zweiten Bildungsweg musste ich auch feststellen, dass mir das längere Schreiben mit Hand fast nicht mehr möglich war. Vor den Abiturklausuren hatte ich zuletzt eigentlich nur noch Einkaufzettel mit der Hand geschrieben – oder eben unterschrieben, wie auch die Autorin hier für sich feststellt.
Auch bei den Klausuren jetzt im Studium habe ich mir regelmäßig, wenn ich nach 4stündiger Klausur mit schmerzendem Handgelenk und der Sorge, dass meine Ausführungen vielleicht brilliant, aber dafür nicht lesbar sein könnten, den Hörsaal verließ gewünscht, dass hier endlich moderne Technik Einzug hält.
Ich tippe jedenfalls sehr viel schneller, als ich mit Hand schreibe und auf die Idee einen Brief oder eine Postkarte zu schreiben, komme ich ehrlich gesagt gar nicht mehr. Wobei ich zugeben muss, dass ich mich über den Erhalt von sowas trotzdem freue 🙂 – über nette emails aber auch 🙂
Interessant finde ich die Ausführung, dass es ja gar nicht darum gehe, immer alles schneller und noch schneller zu erledigen – sondern darum, durch solche Ersparnis Zeit für wichtigere Dinge zu gewinnen.
Im Fall der Schrift für die Konzentration auf den Inhalt und die Gedanken, die zu Papier (halt nein, stimmt dann ja gar nicht mehr…) gebracht werden und heute im Zeitalter von Web 2.0 oft nicht nur einen liebevoll bedachten Empfänger, sondern hunderte oder zumindest theoretisch tausende von Menschen erreichen.
Die Frage, ob Handschrift zu lehren in Schulen noch Sinn macht finde ich überlegenswert. Was mich nicht überzeugt, ist die Vorstellung wie der Sohn der Autorin seine Hausaufgaben diktiert. Denn Rechtschreibung finde ich durchaus nicht überflüssig – und die lernt man nun mal nur durch Schreiben – muss aber nicht mit der Hand sein (und sollte auch nicht dem Rechtschreibkorrektur-Programm überlassen werden ;-)I
Was denkt Ihr darüber? Gehört die Handschrift in den Mülleiner und weg aus Schulen und Hörsäälen?
8 Kommentare
Peter Blomert
Für mich ist es selbstverständlich, dass das Schreiben mit der Hand weiterhin vermittelt werden muss.
Dass es heute für des Schreibens Kundige Verfahren gibt, die die Arbeit des Schreibens deutlich vereinfachen und den Aufwand des Schreibens enorm verringern, ist kein Gegenargument.
Sonst könnte man ja auch verlangen, dass die Vermittlung des Schreibens komplett eingestellt wird – schließlich kann ich inzwischen meinem Computer problemlos alles diktieren, und er schreibt dann den Text für mich, wie zum Beispiel diesen Text hier.
Es ist möglich, wenn auch nicht wahrscheinlich, dass wir irgendwann in der Zukunft in unserer Gesellschaft auf Schrift verzichten können, dass wir alle unseren Informationsaustausch und alle unsere Informationsspeicherung über Audio- und Videobotschaften erledigen werden.
Solange aber nahezu unsere gesamte soziale Kommunikation und Informationsvermittlung auf Schrift basiert, solange ist es meiner Ansicht nach unabdingbar, unseren Kindern auch das Schreiben mit der Hand, also das Schreiben ohne bedeutende technische Hilfsmittel zu vermitteln.
Dass das Erlernen des Schreibens von Hand zugleich auch ein exzellentes Training der Feinmotorik ist, sei hier nur am Rande erwähnt.
Auch die Unterstützung der kognitiven Entwicklung durch die ästhetische Tätigkeit des Schreibens von Hand kann hier nur erwähnt, nicht aber ausführlich erläutert werden.
Nachdem die Kinder das Schreiben von Hand systematisch und intensiv gelernt haben, erfordern die neuen technischen Hilfsmittel und Kommunikationsformen unserer Gesellschaft darüber hinaus natürlich ein intensives Training des Schreibens mit diesen technischen Hilfsmitteln! Dass es heute immer noch Studenten gibt, die die Tastatur ihres Rechners nach der „Ein-Finger-Adler-Such-Methode“ betätigen, ist ein Armutszeugnis unseres Bildungssystems.
Peter Blomert
Eine kleine Ergänzung zum obigen Kommentar:
dass das Schreiben per Hand langsamer ist, als das Schreiben per Tastatur, kann durchaus auch als Vorteil gesehen werden: die Langsamkeit des Schreibprozesses öffnete Zeiträume für Denkprozesse!
Das folgende gilt nicht für dieses Blog, aber doch für viele Texte die heute – mit der Tastatur schnell hingehauen – im Internet veröffentlicht werden: Man kann sich oft des Gedankens nicht erwehren, den Autoren hätte ein etwas größerer Zeitraum für Denkprozesse sehr zum Vorteil gereicht…
Sabine
Hallo Peter,
danke für die interessanten Überlegungen – so eine Diskussion mit vielfältigen Aspekten habe ich mir gewünscht und ich hoffe, es werden noch Kommentare folgen – schriftlich und gut durchdacht 🙂
Zitat: »Es ist möglich, wenn auch nicht wahrscheinlich, dass wir irgendwann in der Zukunft in unserer Gesellschaft auf Schrift verzichten können, dass wir alle unseren Informationsaustausch und alle unsere Informationsspeicherung über Audio- und Videobotschaften erledigen werden.«
Das fände ich mehr als schade – ich liebe die »neuen« Medien und ihre vielfältigen Einsatzmöglichkeiten sehr, durchaus auch manche Erleichterung manueller Tätigkeiten, die damit einhergeht. Aber auf Lesen möchte ich nie verzichten müssen – und hier bin ich auch »altmodisch«, ein gebundenes Buch in der Hand ist mir lieber als ein Ausdruck loser Blätter und diese wiederum lieber als das Lesen am Bildschirm.
Dass das Erlernen handschriftlichen Schreibens wichtig für Feinmotorik und kognitive Entwicklung ist, ist ein wichtiger Aspekt. Denn vorhin sind mir ehrlich gesagt wenige Argumente eingefallen, die sinnvoll begründen weshalb Handschrift nicht durch »Tippen« ersetzt werden sollte.
Zu Deiner Ergänzung: Erst einmal danke für die Einleitung bezüglich dieses Blogs :-). Ansonsten gebe ich Dir schon recht, aber ich fürchte fast, dass diese »Autoren« generell wenig Zeit für Denkprozesse nutzen – vor der Verbreitungsmöglichkeit im Web 2.0 mussten nur nicht so viele darunter leiden :-).
Andererseits verführt die Schnelligkeit des Tippens (siehe e-mail Verkehr: Häufig ohne Groß- und Kleinschreibung, voll mit Tippfehlern etc.) schon zum »Schludern«. Wobei das wiederum eine Frage des Respekts und der Würdigung des/der Rezipienten ist und auch hier die Verfasser solcher Schreiben früher vielleicht auch einen Brief voller Streichungen, Krakeleien und Fehler versandt hätten. Auch hier wäre das halt nur in der Regel auch nicht publik geworden und somit zur breiten Diskussion gestanden.
Ich lese gerade ein Buch zu ähnlichen Aspekten, von Frank Schirrmacher: Payback. Hier werden auch sehr interessante Überlegungen dazu angestellt, wie die Möglichkeiten und die Informationsflut die durch das Web 2.0 entstehen unsere Gehirnstruktur beeinflussen und sich auf unser Denken auswirken: Dass es nötig ist, bedacht zu filtern und einen Weg zu finden, zwischen Wichtig und Unwichtig in der Informationsflut noch unterscheiden zu können. Dieser Ansatz ist meines Erachtens nach auch für das Schreiben von Publikationen wichtig 🙂 egal ob per Handschrift entworfen oder getippt oder diktiert 🙂
Markus
Nur mal kurz, da Du um weitere Kommentare gebeten hast. Ich halte schreiben lernen (handschriftlich) den besten Weg, um lesen zu lernen, da sich so die einzelnen Buchstaben und wie sich diese zu Wörtern und die Wörter zu setzen formen am besten einprägen. Das ist die eine Seite.
Auf der anderen Seite stelle ich aber auch fest, dass ich immer weniger per Hand schreibe, ich langsamer werde und meine Handschrift immer schlechter lesbar ist. Selbst Einkaufszettel erstelle ich mittlerweile in Evernote und lese diese dann im Aldi (oder Lidl, Rewe, Edeka…) in Android am G1.
Deshalb wird es meiner Meinung nach schon auch Zeit, dass für Prüfungen (Klausuren) ab einem bestimmten Alter zumindest wahlweise auch die Möglichkeit gegeben wird, die Texte am PC zu erstellen. Würde ja auch die Lehrer deutlich entlasten (ich hätte viele meiner unter Zeitdruck entstandenen Werke selbst nicht lesen wollen). Das würde sich vor allem in textlastigen Fächern (deutsch, englisch etc.) anbieten – in Mathe wohl weniger. Bis man manche Formeln vernünftig am PC erstellt hätte, wäre die Klausur wohl längst vorbei…
rip
Drill in der Grundschule darf zu einem gewissen Maß sein – aber darf nicht dazu führen, dass Kinder nicht mehr gern schreiben. Die Fähigkeit aber, mit der eigenen Hand Buchstaben zu formen und nicht nur zu tippen, halte ich für wichtig.
Siehe auch hier.
Sabine
🙂 danke – und sooooo haarsträubend finde ich sie ehrlich gesagt nicht. Zumindest finde ich es interessant Argumente dafür und dagegen zu hören – echte Argumente wie zum Bsp. die oben erwähnte Schulung der Feinmotorik und Kognition – oder dass so das Enstehen von Wörtern und Sätzen leichter gelernt wird – es würde mich interessieren, ob es dazu Studien gibt?
Elisabeth Wintermantel
Schreiben lernen ist ein ganz wichtiger Schritt in der Entwicklung der Menschheit gewesen und auch heute noch ist es ein entscheidender Schritt in der Entwicklung des einzelnen Menschen.
Ich halte es für sehr wichtig, dass Kinder in der Schule noch richtig schreiben lernen. Das bedeutet aber nicht, dass ich nicht manche sture Methode, die Buchstaben haargenau in vorgegebene Linien nachzumalen, für überholt ansehe.
Die Schrift eines Menschen ist etwas so Individuelles wie der Fingerabdruck. Es gibt keine zwei gleichen Schriften. Ich finde, der Mensch sollte sich nicht um dieses Mittel des Ausdrucks seiner selbst bringen.
Natürlich erstelle ich manche Liste am PC, ich schreibe auch gerne Mails und verfasse SMSen am Handy. Doch beim Lernen und Zusammenstellen von Fakten schreibe ich immer von Hand. Durch den Schreibvorgang verinnerliche ich mir mein Geschriebenes weit intensiver, als wenn ich nur einzelne Passagen aus einem Text in eine Datei kopiere und vielleicht noch umformatiere.
Dass man nicht selten seine eigene Handschrift für unleserlich erklärt, hängt oft damit zusammen, dass man es einfach nicht mehr gewohnt ist, Formen, die nicht einer gängigen Computerschrift entsprechen, als Buchstaben zu interpretieren. Auch das bedarf der Übung. Je mehr Handgeschriebenes man liest, desto feiner wird das Gespür dafür.
Für mich als Schriftpsychologin ist es immer wieder schön, den Ausdruck eines Menschen auch in seiner Schrift zu finden.
Sabine
Habe eben einen interessanten Artikel über eine britische Studie gefunden. Nachdem wir ja ausgiebig auf die Vorteile von Handschrift eingegangen sind, wird hier gezeigt, dass das »leichtere Schreiben« am PC auch förderlich für die Lust am Schreiben und die Entwicklung von Kreativität sein kann.
Hier findet Ihr den Artikel: Schreibverhalten junger Menschen 2009:
http://www.reticon.de/nachrichten/britische-studie-zum-schreibverhalten-junger-menschen-2009_2553.html