ich stecke mitten drin – in der Berufsfindung
Hallo zusammen,
mein Name ist Ulrike ich bin 26 und lebe in Köln.
Ursprünglich komme ich aus der DDR, die Mauer fiel als ich sechs Jahre alt war. Meine Berufswünsche damals: Kindergärtnerin, damit ich den Spieß umdrehen kann und auch mal „bestimmen“ darf. Ich habe immer gern gemalt und gezeichnet und ging als Kind und Jugendliche in einen Zeichenzirkel – mit 11 wollte ich Modeschöpferin werden. Ich habe Frauen in Abendmode gezeichnet aber nähen konnte ich nicht und wollte ich auch nicht, also wurde nichts daraus.
In Mathematik hatte ich seit ich denken kann, Probleme. Mein Vater versuchte mir mit den Hausaufgaben zu helfen, erzeugte jedoch durch seine starke Ergebnisorientierung und Ungeduld bei mir Unlust und Demotivation. Seit dem habe ich kaum einen interessierten Zugang zur Mathematik finden können. Im Grunde habe ich mir bis heute noch (als Fernstudentin) diese Demotivation bewahren können – sie taucht unbewusst in meinen Gedanken auf, wenn ich studiere – man kann es sich etwa so vorstellen: Sobald ich bemerke, dass ich etwas bestimmtes „lernen muss“ gibt es eine innere Blockade, die die anfängliche Neugier auf ein Thema hemmt. Ich finde das schade und würde es gerne ändern, weiß aber noch nicht genau wie und das Interessante daran ist, dass ich so als Studentin der Bildungswissenschaft zu meinem eigenen Forschungsojekt (Forschungssubjekt?) werde. Dies wiederum finde ich wahnsinnig spannend! So komme ich zu der Behauptung, dass Grundannahmen die Lern-Motivation und im Ergebnis die Lernleistung wesentlich beeinflussen – oder gar steuern.
Aber nun wieder zurück zu meiner „eigentlichen“ Lernbiografie: In der Schule (1.-10. Klasse) bestand meine Motivation wesentlich darin, keine schlechten Leistungen zu erbringen. So erreichte ich einen guten Realschulabschluss. Nach der 4.Klasse bin ich nicht aufs Gymnasium gekommen, weil meine Eltern heute sagen, sie hätten Angst um meine Leistungen gehabt – besonders in Mathe und außerdem sei ich nie eine strebsame „Lernerin“ gewesen. Was ich werden wollte nach dem Realschulabschluss? Ich wollte zeichnen! Also besuchte ich die Berufsfachschule und absolvierte eine Ausbildung zur „staatlich geprüften gestaltungstechnischen Assistentin“. Weil man damit keine Arbeit finden konnte, habe ich mich anschließend nach einem Ausbildungsplatz im dualen System umgesehen. Ich wollte Schauwerbegestalterin werden oder einen Beruf erlernen in dem man gestalterisch tätig ist und der zudem eine abwechslungsreiche Tätigkeit beinhaltet – denn eines wusste ich, aus meinen Schulpraktika: Ich wollte nicht immer das selbe machen! Bäckerin, Konditorin, Porzellanmalerin – ich dachte das müsse sehr langweilig sein. Ich fing also eine Ausbildung an als Schilder- und Lichtreklameherstellerin und zog aus dem heimatlichen Sachsen in den „tiefsten Westen“ – nach Köln – ich war 18 und furchtbar stolz, dass ich das fertig gebracht hatte – gegen das anfängliche Sträuben meiner Eltern. Die Ausbildung stellte sich aber schnell als Fehlentscheidung für mich heraus – ich kam überhaupt nicht mit meinem Ausbildenden zurecht. Zum Glück konnte ich aufgrund meiner vorherigen Ausbildung diese betriebliche Ausbildung um ein Jahr verkürzen, so dass ich zwei Jahre „opfern“ musste – abbrechen wollte ich nicht, ich sah mich mir selbst gegenüber verpflichtet, die Ausbildung zu bestehen, was auch geklappt hat.
Auf den Arbeitsmarkt entlassen wusst ich immer noch nicht, was ich nun machen will – ich wusste nicht, ob ich die Ausbildung so ungern wegen dem Fach oder wegen dem Ausbildenden gemacht hatte. Später konnte ich in einem Betrieb für kurze Zeit als Schilder- und Lichtreklameherstellerin arbeiten – wobei ich endlich herausfand, dass ich mich (neben dem Ausbildungsbetrieb) im Fach des Schilder- und Lichtreklamehandwerks geirrt hatte – einfach nicht mein Fall. Mit Gestaltung wollte ich erstmal nichts mehr anfangen. So trieb ich eine Weile perspektivlos vor mich hin und erfuhr durch einen Bekannten von der Möglichkeit an einer nahen Kollegschule das Abitur im zweiten Bildungsweg nachzuholen. Ich nutzte diese Möglichkeit der allgemeinen Bildung um mich zu orientieren und aus mir mehr „rauszuholen“ trotz kleiner Lernsschwierigkeiten (s.o.) habe ich ein ordentliches Abitur erreicht – was ich mir nie hätte träumen können – dass ich das mal schaffe. Es war eine schöne Zeit für mich in der ich viele Menschen kennen lernen durfte und Freunde gefunden habe – es war nicht immer einfach – aber sehr wichtig für meine Entwicklung.
Nach dem Abi entschied ich mich für das Studium der Bildungswissenschaft an der FernUni in Hagen, bestreite ein Vollzeitstudium und habe manchmal mit Motivationsdefiziten zu kämpfen – mein Erfolg besteht darin, dass ich es bis hierhin geschafft habe (bisher alle Klausuren bestanden) und dass ich mir sicher bin, das Studium erfolgreich abzuschließen.
Nun weiß ich zwar immer noch nicht, „was ich mal werden will“ – aber bin dem schon ein ganzes Stück näher gekommen. Ich habe die Vorstellung von einer Beschäftigung, die meinen Interessen und Fähigkeiten am nächsten kommt nicht aufgegeben und bin weiter auf der Suche und meine Motivationsschwierigkeit ist für mich auch der Grund warum ich ein Fernstudium und auch die Bildungswissenschaft gewählt habe, damit ich meinen Königsweg des Lernens finde.
6 Kommentare
raquel
Hallo Ulrike
Vielleicht wirst Du ja Lern- und Motivationsberaterin? 🙂
Schon seit der Schule habe ich den Eindruck, dass es mehr Menschen braucht,die den Jugendlichen einen Weg ins heutige Berufsleben weisen.
Jugendliche hinterfragen gerne den Sinn von dem was sie tun und viele haben ein Problem damit sich anzustrengen,wenn der Sinnn so etwas abstraktes wie ein Schulabschluss sein soll,wo sie doch sowieso Popstar werden wollen. 🙂
Die Lehrer haben meist keinen Blick dafür,weil sie ihr Leben grösstenteils im Schulumfeld verbracht haben und oft selber gerne lernen.
Bei der Berufsberatung habe ich auch noch keine Berufsberater getroffen, die lebensnahe Perspektiven vermitteln (und ich war vor wenigen Jahren das letze Mal da).
Aus meiner eigenen Berufserfahrung weiss ich, dass heutzutage viele interessanten Jobs nicht mehr erlernbar sind im klassischen Sinne und das andererseits auch ein Buchhalter in einem spannenden Umfeld tätig sein kann.
Deshalb finde ich,dass man Jugendliche am besten für die Schule motivieren könnte, indem man ihnen solche Perspektiven aufzeigt und auch hilft, den Sinn im Lernstoff zu finden.
Ich hatte genau wie Du grosse Probleme mit Mathematik, erstens weil ich es nicht so genau nehme 🙂 und zweitens weil ich keinen Sinnn darn sah. Mit meiner Klasse haben wir unseren Lehrer herausgefordert den Sinn dahinter zu erklären,er meinte aber,es sei nicht nötig dies zu tun.
Als ich dann kurz vor der Matura mit Fraktalen zu tun hatte, habe ich es plötzlich verstanden worums bei diesen Gleichungen und Formeln ging. Und mich furchtbar geärgert,dass mir das niemand erklärt hatte.
Auch haben sich die Lehrer nicht bemüht ihren Unterricht zu koordinieren. So kam es dass der Physiklehrer meinte,wir hätten dies und jenes in Mathematik schon gehabt haben müssen und in Chemie sollte der Stoff schon duch den Physikunterricht vorbereitet worden sein.
Wenn Lehrer einen qualitativ hochwertigen Unterricht ser Sinn macht bieten wollen,dann sollte so eine Koordination doch moglich sein.Allerdings hatte ich bei meinen Lehrern auch nicht den Eindruck,dass sie die qualität des Unterrichts besondern sim Auge hatten.
Jetzt wird ja überall über Qualitätssicherung in der Bildung gesprochen.Vielleicht gibt auch Jobs in der Lern-und Motivationsberatung für Lehrer?
LG
raquel
Ulrike
Hallo raquel,
Lern- und Motivationsberaterin klingt interessant – Lehrer klingt uninteressant – d.h. Lehrerin will ich nicht werden.
Also ist Lern- und Motivationsberaterin ein vermittelndes Bindeglied zwischen Lehrern und Schülern – so stelle ich es mir jedenfalls vor.
Also mit den Inhalten, was in der Schule gelernt wird, will ich nur am Rande zu tun haben – ich will mich mehr mit dem Lernen an sich beschäftigen. Warum lernen wir? Was bringt es uns als Person? Wie lernen einzelne Personen am besten, d.h. unter welchen Bedingungen? usw. Das finde ich interessant – aber die Forschungsfrage interessiert mich am meisten: Wie beeinflussen uns Grundannahmen in unserer Motivation und Lernleistung?
Vielleicht nehm ich diese Frage für 2A…
liebe Grüße
Ulrike
raquel
Hallo Ulrike
vielleicht ist etwas in diese Richtung für dich interessant:
http://www.lerntherapie.edu
Dabei brauchst Du wohl nicht unbedingt diese Ausbildung zu machen es geht mir mehr um das Berufsprofil,das vorgestellt wird.
Das hier könnte auch für dich interessant sein, für diese Ausbildung ist nämlich eine pädagogische oder ähnliche Vorbildung Bedingung:
http://www.legasthenie-ads-dyskalkulie.de
4 von meinen 6 Geschwistern sowie mein Vater sind /waren Legansteniker. Es ist ein sehr interessantes Phänomen, weil Legasteniker meistens ausgesprochen begabt sind und es bisher noch keine anerkannte schlüssige Erklärung dafür gibt. Da du wahrscheinlich ein gutes Vorstellungsvermögen besitzt, wenn du gestalterisch begabt bist, könnte das vielleicht auch eine Richtung sein, in die Du Dich entwickeln kannst.
Ich denke, Motivation ist sehr abhängig davon welche Ziele man verfolgt und ob man das Angestrebte in einen grösseren Sinnzusammenhang setzen kann. Daher würde ich dir raten,dich mal umzusehen,was es so alles gibt.Z.B ist es auch spannend bei Instituten zu schauen,welche Ausbildung die Ausbildner gemacht haben.
Wie z.B nochmals hier unter Dozenten: http://www.lerntherapie.edu
Zur Hausarbeit: Ich habe 2 A dieses Semester auch noch vor mir,aber ich kann mir gut vorstellen,dass deine Frage sich dafür eignen würde.
Liebe Grüsse und viel Spass bei der Berufsfindung…
raquel
Cora
Hallo Ulrike,
ich bin zwar nicht über den zweiten Bildungsweg zum Abitur gekommen, habe dafür aber ähnlich wie du einige krumme Umwege in meiner Berufsfindung (Findung? Naja,…) hinter mir. Die sind allerdings auch teilweise gesellschaftlich bedingt, denn lernen und Kinder großziehen ist in Deutschland (vor 20 Jahren jedenfalls) ohne Hilfe von Verwandten nur sehr schwer zu realisieren. Irgendwie leide ich heute noch darunter. Die Zeit fehlt mir einfach! Jetzt versuche ich, das aufzuholen (Motivation). Meine Grundhaltung ist inzwischen: wer nicht mehr lernt, geht rückwärts, wie ein toter Fisch im Strom.
Dein Interesse an den ursächlichen Bedingungen für das Lernen an sich kann ich gut nachvollziehen. Ist es da nicht ein bisschen schade, dass das BiWi-Studium dieses Thema nicht mehr so ausführlich behandelt? Vielleicht machst du ja nochmal ein Modul bei den Psychos? Sag mir Bescheid, vielleicht schließe ich mich an. 🙂
Ich denke, die Frage nach der Grundhaltung ist eine ganz ganz ganz entscheidende Frage! Motivation und Grundhaltung bilden ein schwer zu analysierendes Gemisch, so viele Faktoren spielen eine Rolle. Ich bin aber der Überzeugung, dass wir mit einer positiven Grundhaltung geboren werden, wenn diese auch unbewusst sein mag. Der Wunsch zu Lernen ist ein menschliches Grundbedürfniss, weil nur so das Überleben und menschliche Entwicklung gewährleistet werden kann, ein angeborenes Verhalten also, angetrieben durch Neugier. Warum hören wir dann teilweise damit auf? Hören wir auf, wenn die Bedürfnisse befriedigt scheinen? Verlernen wir die Wahrnehmung bestimmter Bedürfnisse? Verlernen wir zu lernen? Ist das etwa auch ein natürlicher Prozess? Welche Aufgaben hat hier Schule und wie wird sie ihnen gerecht? Wie lernen wir heute? Mit welchen Medien? Wie sieht die Lehrerbildung dazu heute aus? Wohin entwickelt sich das alles in der Zukunft? Da klingt Lern- und Motivationscoach in der Tat interessant. Denn wenn doch am Ende vieles (einst alles?) auf selbstständiges Lernen hinausläuft, was ist mit den Un- oder Demotivierten? Mit Lebenskrisen? Wie lernt man dann in schwierigen Phasen? Die positive Grundhaltung wird von Anfang an angeschubst, aber auch torpediert. Mich interessieren auch Fragen wie: Was beeinflusst die Grundhaltung wie im Lebenslauf? Und natürlich deine Frage, wie beeinflussen die Grundhaltungen unser Lernen?
Wenn nur eine positive Grundhaltung ausreichen würde, müssten wir beide uns über unsere Lernmotivation ja keine Gedanken machen :). Also, es ist klar, da gehört mehr dazu.
Hat dir 2A dazu neue Perspektiven gebracht?
Du hast anfangs geschrieben, dass du nun ein gutes Stück näher daran bist zu wissen, „was du mal werden willst“. Das ist gut. Ich kann das Gleiche von mir nicht behaupten. Ich glaube, ich bin noch in der Phase „der Weg ist das Ziel“.
Viel Spaß und Erfolg noch!
Cora
Sabine
Hallo Cora,
da wirfst Du viele interessant Fragen in die Runde und ich finde es klasse, dass dieser interessante Thread gerade jetzt nochmal weiter geführt wird.
„Gerade jetzt“, weil ich dabei bin, die nächste wichtige Phase im Aufbau dieser Community zu planen und mir in dem Zusammenhang die selben Fragen gestellt habe.
Auch ich bin überzeugt, dass wir alle zunächst eine positive Grundhalten zum Lernen hatten: Neugierde nämlich, das ist nichts anderes! Nur leider wird diese in sehr, sehr vielen Fällen systematisch und erfolgreich kaputt sozialisiert. Und aus nicht unterstützter oder sogar bestrafter Neugierde wird dann zwangsläufig Demotivation.
Genauso überzeugt bin ich aber auch davon, dass man das,was durch falsche Sozialisation kaputt gemacht wurde, durch Sozialisation auch wieder korrigieren kann. Sozialisation ist letztlich nichts anderes, als Entwicklung und Erfahrung die durch das Umfeld beeinflusst und gesteuert werden und sich dann als Schema und Erfahrung einnisten und beeinflussen, wie offen (oder eben auch nicht) wir dann neuen – von diesen Schemata abweichenden Erfahrungen – gegenüber sind.
Und ich finde es ganz wichtig, dass solche Ansätze nicht nur Perspektiven für die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen geben, sondern eben AUCH FÜR ERWACHSENE. Weil es kein Vorgang ist, der irgendwann zwischen 20 und 25 abgeschlossen und nicht mehr korrigierbar ist! Und weil demotivierte Erwachsene diesen Frust an ihre Kinder weitergeben und damit bei der nächsten Generation die Neugierde und Freude am Lernen wegsozialisieren. Und das kann keine Institution und kein Pädagoge alleine auffangen, das funktioniert nur, wenn an zwei Baustellen gearbeitet wird: Den heutigen Erwachsenen die Motivation und die Freude am Engagieren wieder zurückbringen UND bei Kindern und Jugendlichen verhindern, dass sie verloren gehen.
Genau aus diesem Grund war und ist mein Ziel für diese Community drei typische Gruppen von Menschen zusammenzubringen: Studenten und Schüler des Zweiten Bildungsweges mit genau den hier angesprochenen Demotivierten, die spüren, dass Ihnen die Neugierde zwar irgendwann abtrainiert wurde, aber irgendwo immer noch da ist und wieder raus möchte :-).
Ich weiß aus Erfahrung, dass es ab da nur ein kleiner aber enorm schwerer Schritt ist, zu der Entscheidung den Zweiten Bildungsweg zu wagen. Und meist fehlt im näheren Umfeld jeglicher Zuspruch (klar – dort wurde man ja so sozialisiert). Im schlimmsten Fall fehlt nicht nur der Zuspruch, sondern existiert massiver Widerstand (Du in Deinem Alter…., was soll das denn noch bringen….u.v.m).
Und genau hier kann dann so eine Community ins Spiel kommen und mit vielen echten und authentischen Erfolgsgeschichten beweisen, dass man nicht alleine mit diesen Schwierigkeiten ist. Dass es Menschen gibt, die mit ähnlichen Problemen zu kämpfen hatten und es durchgezogen und geschafft haben. Und die nicht nur ihre Geschichten als Hilfe anbieten, sondern auch mit Rat und Tat weiterhelfen können. Die auch mal auffangen und ermutigen können, wenn es grade nicht gut läuft oder nicht auf Anhieb so klappt, wie man sich das gewünscht hat.
Und letztlich soll es hier dann auch genau so ein Coaching und so eine Lernberatung im Sinne von „Lernen lernen“ und „Neugierde und Motivation neu lernen“ geben. Mit Partnerschaften zwischen den Mitgliedern unterschiedlicher Lernstufen und Mentoren die beraten und helfen können. Ich habe da noch ganz viele Ideen und hoffe auf Eure tatkräftige Hilfe, beim Ideen sammeln und beim Umsetzen. Mehr dazu in absehbarer Zeit!
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