Didaktik auf dem pädagogischen Rückzug – mit fatalen Folgen !
Unsere Zeit ist geprägt von zunehmender Änderungsdynamik, struktureller Komplexität und gesellschafts-kulturellen Wandlungsprozessen, was wir in allen Lebensbereichen beobachten können. Die Frage, die wir uns stellen müssen, muss also lauten: Welche Kompetenzen sind zukünftig erforderlich, um die Menschen in eine bessere Disposition im Umgang mit dem turbulenten Weltgeschehen zu bringen ? Was müssen diejenigen können, die ihnen das dazu Notwendige beibringen sollen ?
Vor diesem Hintergrund tritt die Forderung nach einer zukunftsfähigen Didaktik hervor, die heute wesendlich mehr leisten muss als die bloße Vermittlung von Fachwissen. Doch wie steht es um die didaktische Ausbildung der Lehrenden ? Welche Rolle spielt die Didaktik nicht nur an schulischen Einrichtungen, sondern vor allem auch an weiterbildenden Institutionen ? Bei genauerer Betrachtung zeigt sich ein eher pessimistisches Bild:
- Seit den 70iger Jahren geht die Zahl der fachdidaktischen Lehrstühle durch die Neuorganisation der Universitäten und den Abbau von Pädagogischen Hochschulen stetig zurück
- Massenuniversitäten als Wissensfabriken beschränken sich auf die Vermittlung der Theorien, der praktische Bezug geht den Didaktikern verloren
- Die reinen Fachwissenschaften werden in ihrer vermeintlichen Wertigkeit höher eingestuft und versprechen bessere Karrierechancen
- Zunehmend wird die didaktische Ausbildung in die Referendariatszeit verlegt, was zwar dem Praxisbezug zu Gute kommt, dafür aber den Aspekt des Forschens vernachlässigt
- Rahmenbedingungen wie zu große Lerngruppen, Kompetenzstruktur des knappen Personals, zu hohe Stundenbelastung und zu wenig Raum für Individualisierung erschweren
Eine Entwicklung also, die den aktuellen Anforderungen entgegen spricht. Mit all den unübersehbaren Folgen, die wir tagtäglich in den (Bildungs-)Nachrichten wahrnehmen können.
Wie lange noch können wir uns das als postmoderne Gesellschaft noch leisten ?
Ein Kommentar
Sabine
Hallo Bernd,
danke für den interessanten Beitrag, der einige Fragen sehr deutlich macht, die auch m.E. nach in Zukunft immer wesentlicher werden:
– Welche Kompetenzen sind geeignet mit Anforderungen unserer Gesellschaft flexibel zurecht zu kommen?
– Didaktik muss heute mehr leisten als das Vermitteln von Fachwissen
– … nicht nur an Schulen, sondern auch an weiterbildenden Institutionen ist auch Didaktik wichtig …
Wo ich Dir nicht zustimmen kann, ist der Punkt, dass Universiäten sich heute mehr auf Theorien beschränken und der Bezug zur Praxis verloren geht. Ich sehe viel mehr die Gefahr, dass genau der umgekehrte Vorgang passiert. Studiengänge sollen immer mehr gleichzeitig die Funktion einer dualen Berufsausbildung erfüllen – immer schneller marktkonforme Absolventen ausspucken und gleichzeitig soll – überspitzt formuliert – jeder Job, jede Erwerbstätigkeit, am besten als i-Tüpfelchen einen eigenen »akademischen« Abschluss übergestülpt bekommen. Diese Entwicklung halte ich für falsch, m.E. ist das gerade nicht die Aufgabe von Universitäten.
Im Rahmen meiner aktuellen Hausarbeit in diesem Semester beschäftige ich mich u.U. auch mit unterschiedlichen Theorien und Didaktiken, die sich gegenseitig im gesellschaftlichen Wandel abgelöst haben, in dem Lernen, Wissen und Bildung jeweils anders (neu?) definiert und gewertet wurde.
Einen großer Fehler – wie bei vielen »neuen« Theorien – sehe ich darin, dass dabei meist der Anspruch auf »die« Theorie und »die« Didaktik erhoben wurde und die jeweils vorhergehende oder »konkurrierende« verworfen wird. Ein besserer Ansatz, der sich auch immer mehr in der Wissenschaft durchsetzt, ist der, verschiedene Richtungen auch zu verbinden. Sie weiterzuentwickeln, zu kombinieren, anstatt das Rad neu zu erfinden: Eben auch hier zu lernen, statt nur Wissen zu produzieren.
Grundsätzlich muss doch eine effiziente Didadaktik heute mehrgleisig fahren: Sie muss Techniken, Wissen zu erwerben, vermitteln. Sie muss dabei die heterogenen Voraussetzung und Vorerfahrungen der Lernenden individuell berücksichtigen und einbeziehen. Sie muss Medienkompetenz einbeziehen, darf darin aber nicht das neue alleinige Allheilmittel sehen. Und gerade im Bereich Erwachsenenbildung muss sie akzeptieren, dass Menschen gerne lernen, sich aber nicht gerne belehren lassen.